Anliegenmanagement – Teil 4

TEIL 2 : „Intelligentes“ Anliegenmanagement in der Praxis – ein Beispiel aus der Versicherungswirtschaft

TEIL 3 : Welche Rollen spielen Customer Touchpoints im „intelligenten“ Anliegenmanagement?

  • Trends im Bereich des Anliegenmanagement
  • Welcher konkrete Bedarf an IT- Lösungen besteht?

TEIL 4 : Wie verändert Künstliche Intelligenz (KI) das heutige Input Management und somit auch das Anliegenmanagement?

  • Klassisches Input Management - Basiserkennung
  • Intelligent Document Processing (IDP) – die Weiterentwicklung der Basiserkennung
  • Lernen statt programmieren bzw. Regeln definieren Verbesserte Erkennung von Dokumentinhalten
  • Fazit

Glossar Anliegenmanagement

  • Die verwendeten Begrifflichkeiten haben wir am Ende jeden Beitrags für sie zusammengetragen.

Abstract: Künstliche Intelligenz (KI) gewinnt zunehmend insbesondere im Anliegenmanagement an Bedeutung, um Prozesse zu optimieren, die Kundenzufriedenheit zu steigern und Wettbewerbsvorteile zu erlangen. 

 

Wie in der Artikelserie „Einsatzmöglichkeiten von Künstlicher Intelligenz (KI) im Input Management.“ beschrieben, ist mit Intelligent Document Processing (IDP) Platforms die nächste Generation der Input Management Lösungen am Start, welche unstrukturierte Daten mittels KI-Technologien in verwertbare Daten umwandelt, welche dann die Basis für die Automatisierungsinitiativen und die Optimierung des Anliegenmanagement in Unternehmen darstellen.  

Wie die vereinfachte Darstellung zur Anliegenbearbeitung zeigt, ist die kanalübergreifende Kategorisierung und Qualifizierung beim Kundenkontaktpunkt die initiale Schlüsselfunktion zur Bearbeitung von Kundenanliegen 

Klassisches Input Management - Basiserkennung 

Vor dem Siegeszug der KI beschränkte sich das klassische Input Management bei vielen Unternehmen genau auf die sogenannte Basiserkennung, also die Erkennung des Kunden und seines Kundenanliegen, um die schnelle Weiterleitung der eingehenden Sendung bzw. der Dokumente oder E-Mails an die passende Fachapplikation und den richtigen Sachbearbeiter im Fachbereich zu ermöglichen. 

Für die Basiserkennung waren folgende Funktionalitäten notwendig:  

  1. Vorverarbeitung (engl. Pre-Processing) 
    In der Vorverarbeitung werden papierbasierte Eingangsdokumente, E-Mails, Faxe, Fotos von mobilen Endgeräten, elektronische Dateien oder Inhalte aus dem Internet zur weiteren Bearbeitung importiert, konvertiert, qualitativ optimiert und entsprechend des Eingangskanals vorbereitet. 
  2. Dokumentenklassifikation 
    Anhand der Dokumentklassifikation kann in einem Folgeschritt die Zuordnung der eingehenden Kommunikation zu einem oder mehreren Anliegen erfolgen. Anhand der Dokumentklassifikation erfolgt häufig auch die richtige Dokumenttrennung. 
  3. Identifikation des Vertragszusammenhangs 
    Nachdem der Kunde identifiziert wurde muss noch der entsprechende Vertrag erkannt werden, wenn der Kunde mehrere Verträge mit dem Unternehmen abgeschlossen hat 

 

Sehr gute Lösungen für die Basiserkennung gibt es schon seit über 20 Jahren. Zum Einsatz kamen ursprünglich regelbasierte Algorithmen, aber auch KI-Algorithmen wurden bereits früh eingesetzt, z.B. die Support Vector Machine in der Dokumentklassifikation.  

Intelligent Document Processing (IDP) – die Weiterentwicklung der Basiserkennung 

Der klassischen Lösung zur Basiserkennung fehlten zwei wesentliche Eigenschaften, welche durch KI möglich werden: 

  1. Lernen statt programmieren bzw. Regeln definieren 
  2. Verbesserte Erkennung von Dokumentinhalten 

 Lernen statt programmieren bzw. Regeln definieren  

Bei klassischen Input Management Lösungen definieren Entwickler reguläre Ausdrücke oder programmieren Logiken, um Dokumente und Dokumentinhalte zu erkennen, zu validieren und weiterzuleiten. Dieses Vorgehen ist aufwändig in der Erstellung sowie insbesondere in der Pflege der bestehenden Anwendungen, da umfangreiche Regelbäume oder Computercodes nach einiger Zeit nur noch von wirklichen Experten verstanden und somit weiterentwickelt werden können. 

Training statt Programmierung heißt hier die Lösung bei IDP. IDP kombiniert das Human-in-the-Loop Prinzip, beziehungsweise Supervised Learning bzw. User-based Learning (ein Mensch, der ein KI-System beim Lernen anleitet) mit Active Learning (Algorithmen optimieren sich selbstständig und liefern Vorschläge, welche weiteren Optimierungen den größten Mehrwehrt für die Verbesserung des Modells in einer bestimmten Problemstellung bewirken), um Muster zu erlernen und diese auf unbekannte Daten mit einer hohen Erkennungsleistung anzuwenden. 

Neben dem beschriebenen Training, welches meist bei Deep-Learning Lösungen eingesetzt wird, wird durch den Einsatz von Large Language Modells im Input Management eine weitere Entwicklungsstufe erreicht. Das sogenannte Zero Shot Verfahren wird durch den Einsatz von Large Language Modells ermöglicht. Dabei wird zu dem in der Verarbeitung befindlichen Dokument eine Frage gestellt. Das Zero Shot Verfahren kommt ohne vorheriges Training aus. 

Zum Einrichten bzw. zum Training einer KI ist kein technisches Know-how oder besser gesagt, sind keine Programmierkenntnisse erforderlich, was dann auch die Internalisierung des Know-hows, das heißt das Wissen, eine IDP im Unternehmen zu betreiben, vereinfacht. 

Verbesserte Erkennung von Dokumentinhalten 

Input Management sollte sich zukünftig noch stärker auf die möglichst automatisierte Verarbeitung von Anliegen (Dunkelverarbeitung) konzentrieren. Die sogenannte Fachdatenextraktion kommt dabei ins Spiel.  

Vor dem Einzug der KI-Verfahren mussten dazu wie zuvor beschrieben mittels Regeln bzw. regulären Ausdrücken Dokumentinhalte, wie z.B. das Rechnungsdatum, gefunden und ausgelesen werden. Die regelbasierte Fachdatenextraktion war aufwendig und benötigte ein spezielles Know-how. Fachdatenextraktion wurde daher in der Vergangenheit meist nur auf wenigen Dokumenten durchgeführt, z.B. bei Rechnungen, da hier der Anbietermarkt schnell vorkonfigurierte Lösungen angeboten hat.  

Die neuen Möglichkeiten der Intelligent Document Processing (IDP) Platforms und der darin eingesetzten KI-Technologien machen Fachdatenextraktion nun auf allen eingehenden Dokumenten möglich.  

Fazit 

Beim Einsatz von KI stehen viele Unternehmen noch am Anfang und ein übergreifender Einsatz ist eher die Ausnahme. Was auch eine Umfrage des Bitkom zeigt. Demnach halten gut zwei Drittel KI inzwischen für die wichtigste Zukunftstechnologie, dennoch setzen lediglich 15 Prozent KI im Unternehmen ein. 

Das Input Management spielt aufgrund der fortschrittlichen KI-Technologien eine immer wichtiger werde Rolle im Anliegenmanagement, da es den Prozess der Erfassung und Verarbeitung von eingehenden Informationen und Anfragen maßgeblich unterstützt. Das Input Management ermöglicht die effiziente Strukturierung, Kategorisierung, Erschließung und Priorisierung von Anliegen über alle Kundenkontaktpunkte hinweg, um eine schnelle und angemessene Reaktion zu gewährleisten. 

Hier finden Sie die Begriffsdefinitionen der Fachbegriffe aus der Artikelserie.

Begriff 

Definition 

Anliegen 

Unter einem Anliegen versteht man im Kontext der Kundenzentrierung eine vom Kunden initiierte Handlungsaufforderung ("Das was der Kunde möchte"). Ein Beispiel für ein Anliegen im Versicherungswesen ist: "Ich benötige eine Bescheinigung für das Finanzamt zu meinem aktuellen Versicherungsschutz." 
 
Anliegen können durch Kunden, Vertriebspartner oder auch weitere Externe (z. B. Dienstleister, Behörden) ausgelöst werden, die über unterschiedliche Eingangskanäle im Unternehmen eintreffen. Die Anliegen können schriftlich (z. B. Mail, Brief, App) oder mündlich (z. B. Anruf) geäußert werden und lösen Aufträge aus, um auf das Anliegen zu reagieren (z. B. Antwortschreiben). 
 
Aus einem Anliegen werden ein oder mehrere Aufträge ("Was das Unternehmen tun muss") abgeleitet. Ein Beispiel für einen Auftrag ist: "Erstelle für den Kunden eine Bescheinigung über seinen Versicherungsschutz."  
 
Die Anliegen bilden im Anliegenmanagement eine Klammer über alle notwendigen Aufträge und enthalten die Verknüpfung zur erfolgten Kommunikation bzw. Handlung. 
 
Anliegen sind Geschäftsvorgänge, welche den speziellen Fokus auf die Bearbeitung von Handlungsaufforderungen des Kunden legen. 

Anliegenmanagement 

Unter Anliegenmanagement werden Verfahren verstanden, mit denen Hinweise und Wünsche von Kunden im Unternehmen entgegengenommen und beantwortet werden. Das Anliegenmanagement wird im Kontext der Kundenzentrierung zur Optimierung der eigenen Dienstleistungen und Serviceangebote und zur Effizienzsteigerung in den internen Prozessen eingesetzt. 

Automatisierung 

Unter Automatisierung wird im Kontext des Anliegenmanagement das Bestreben von Systemen verstanden, Anliegen bzw. resultierende Aufträge ganz oder teilweise ohne Mitwirkung der Sachbearbeiter zu bearbeiten.  

Customer Touchpoints 

Siehe Kundenkontaktpunkte 

Dunkelverarbeitung 

Von Dunkelverarbeitung ist die Rede, wenn Anliegen vollständig automatisiert und ohne menschliches Eingreifen im Hintergrund ablaufen.  

End-to-End (E2E) 

Von End-to-end-Bearbeitung bzw. End-to-end-Prozess ist die Rede, wenn eine zeitlich-logische Abfolge von Aufträgen/Prozessen ausgeführt wird, um ein konkretes Kundenanliegen zu erfüllen.  
 
End-to-end soll verdeutlichen, dass sich die Bearbeitung vom Bedarf des Kunden bis zur Leistungserbringung erstreckt und in der Regel abteilungsübergreifend ist. 

Geschäftsprozess (Prozess) 

Ein Geschäftsprozess ist eine abgegrenzte, meist arbeitsteilige Folge logisch verbundener Funktionen/Aufträge mit einem definierten Beginn und Ende.  
 
Ein Geschäftsprozess: 
• hat immer mindestens einen Input 
• erzeugt mindestens einen Output 
• wird durch ein Anliegen ausgelöst 
• endet bei der Erledigung des Anliegens (End-to-End) 

Geschäftsvorgang (GeVo) 

Der Geschäftsvorgang, ist die konkrete Ausprägung eines definierten Geschäftsprozesses.  
 
In der Regel entstehen bei einem Geschäftsvorgang ein oder mehrere Aufträge (z.B. Anlage eines neuen Leistungsfalls). Auch Prüfungen, Auskünfte etc. gehören dazu. 
 
Wichtig ist, dass der Geschäftsvorgang ein eigenständiges Geschäftsobjekt darstellt (z. B. für das Tracking, Reporting) und grundsätzlich einen Bezug zu einem anderen Geschäftsobjekt hat. Daher benötigt der Geschäftsvorgang auch einen Schlüssel bzw. eine Kennzeichnung zur eindeutigen Identifikation. 

Hellverarbeitung 

Von Hellverarbeitung ist die Rede, wenn Geschäftsprozesse nicht- oder nur teilautomatisiert ablaufen, d.h. nur mit menschlichem Eingreifen fallabschließend bearbeitet werden können. 

Input Management 

Unter Input Management versteht man die Herangehensweise zur digitalen Erfassung von geschäftsrelevanten Daten aus verschiedenen Kommunikationskanälen und Kommunikationsformaten (z.B. Papierdokumente) und die Übergabe der Informationen an nachfolgende Geschäftsanwendungen. 

Kundenkontaktpunkte 

Kundenkontaktpunkte, im Fachjargon auch Customer Touchpoints genannt, bieten Unternehmen sowie Kunden die Möglichkeit, miteinander zu interagieren. Es gibt eine Vielzahl verschiedener Berührungspunkte zwischen Unternehmen und Kunden. In der digitalen Welt können Websites oder mobile APP’s ebenso zum Touchpoint werden wie der Social-Media-Account des Unternehmens. In der realen Welt bieten Geschäftsstellen, Kundenbriefe oder Vertriebsmitarbeiter die Möglichkeit zum Kundenkontakt. 

Kundenzentrierung 

Unter Kundenzentrierung versteht man strategische Maßnahmen im Unternehmen, die zum Ziel haben, den Kunden in den Mittelpunkt aller unternehmerischer Handlungen zu stellen.  
 
Der grundlegende Ansatz ist, durch ein funktionierendes Anliegenmanagement die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden und deren Erfüllung im Sinne einer optimalen Kundenzufriedenheit zu befriedigen. Dabei werden alle Handlungen zur Erfüllung des Anliegen und Effizienzgesichtspunkten optimiert.