RPA & KI: Posteingang automatisieren statt bloß digitalisieren

So viel ist klar: Künstliche Intelligenz (KI) wird die Arbeit in Unternehmen verändern. Denn KI simuliert die gewonnenen Erkenntnisse von Mitarbeitenden im Umgang mit Daten, Texten und Bildern und erbringt auf diese Weise kognitive Wertbeiträge, die uns von Routine-Arbeiten entlasten.

Traditionelle Regeln sind daher häufig nicht mehr zeitgemäß. Genau deshalb stimme ich Pentadoc-CEO Guido Schmitz in seinem Artikel zu: KI wird die Arbeit von „Copy & Paste“-Robotern (RPA oder Robotic Process Automation) übernehmen. Aus Sicht von Posteingang und Input Management wird IDP daraus: Intelligent Document Processing. Doch wie unterscheiden sich RPA und KI genau?

In der Beitragsreihe zum „Intelligenten Input Management“ veröffentlichen wir den Gastartikel von Andreas Klug, KI Evangelist und Co-Founder der ITyX Gruppe.

Ich beschäftige mich seit mehr als 15 Jahren mit Künstlicher Intelligenz. Und es vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht ein neues KI-Anwendungsfeld kennenlerne. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz entwickelt sich kontinuierlich weiter und ist im Input Management nachweisbar erfolgreich. Die intelligente Automatisierung von Dialogen ist weit fortgeschritten, egal ob es um Dokumente, E-Mails oder Messenger-Nachrichten geht. Zahlreiche erfolgreiche Use Cases aus den unterschiedlichsten Branchen beweisen, wie Intelligent Document Processing die Erfassung von geschäftsrelevanten Informationen erfolgreich automatisiert. Von der Erfassung von Leistungsverzeichnissen mit KI in der Bau- und Wohnungswirtschaft bis zur Automatisierung von Anträgen in Versicherungen: IDP ist gerade angesichts des Fachkräftemangels eine entscheidende Lösung für die drängenden Herausforderungen bei der Vorgangsbearbeitung in Unternehmen.

Warum mit angezogener Handbremse automatisieren?

Typische Beispiele: Das Weiterleiten von E-Mails, das Kopieren und Abtippen relevanter Fachdaten, die Verarbeitung von Korrespondenzen & Dialogen über immer mehr Kommunikationskanäle ist mit einem hohen Aufwand verbunden. Auch der Papierverbrauch ist nach wie vor ein Thema: Immer noch erhalten Unternehmen Millionen Seiten von Papier - physisch oder als Mail-Anhang. Denken Sie nur an die Vorgangsbearbeitung in der deutschen Verwaltung. Mein Credo: Vielerorts wird Digitalisierung gepredigt, in der Praxis aber werden lediglich alte analoge Vorgehensweisen elektrifiziert. Dabei ist KI-basiertes Input Management längst marktreif. Wo liegen die entscheidenden Unterschiede zu RPA?

RPA automatisiert nur regelbasiert Prozesse

Eine Zeit lang galt Robotic Process Automation (RPA) als Kernanwendung zur Transformation einer Informations- und Prozess-Infrastruktur in eine vernetzte digitale Welt. Denn RPA automatisiert auf Basis von Regeln einfache und repetitive Routineaufgaben im Posteingang. Software-Roboter (Bots) imitieren die Art und Weise, wie Menschen mit Software und digitalen Systemen umgehen. Die Bots werden programmiert und verarbeiten große und strukturierte Datenmengen schnell, präzise und zuverlässig. RPA übernimmt:

  • wiederkehrende Aufgaben: RPA verarbeitet eine hohe Anzahl an gleichartigen, sich wiederholenden Vorgängen, beispielsweise die Inhalte eingehender (Web-)Formulare,
  • regelbasierte Prozesse: RPA-Software funktioniert nach klar definierten Regeln, beispielsweise wenn strukturierte Belege ins Bestandssystem überführt werden sollen,
  • strukturierte Datenfelder: RPA-Bots kopieren einen klar lesbaren, strukturierten Datensatz von A nach B.

Die Unterschiede: RPA versus KI

Häufig wird RPA zur Überwindung von Systemgrenzen eingesetzt, um traditionelle Schnittstellen zu umgehen. Denn die Bots benötigt keine tiefergehende Integration in Systeme, sondern arbeitet über die bestehenden Benutzer- beziehungsweise Desktop-Oberflächen. Ihr großes Manko: Sie erkennt Daten nicht im Kontext und scheitert an unstrukturierten Dokumenten wie E-Mails, Chatnachrichten, Bescheinigungen oder Schadenbeschreibungen.

Genau deswegen ist der Einsatz von KI im Input Management so entscheidend. Ein KI-basiertes Input Management verbindet regelbasierte Automatisierungssoftware (RPA) mit Künstlicher Intelligenz (KI), Machine Learning (ML) und Natural Language Processing (NLP). RPA-Software wird somit um kognitive Komponenten ergänzt.

  • KI erkennt relevante Daten: in unstrukturierten Dokumenten wie E-Mails, Briefen, Chats und WhatsApp-Nachrichten.
  • KI kategorisiert Inhalte: Worum handelt es sich bei einem eingehenden Datensatz? Eine Anfrage, ein Antrag, eine Beschwerde? KI identifiziert das „Problem“.
  • KI extrahiert Daten: wie Vorgangsdetails, Daten von Mitarbeitenden sowie Kundinnen und Kunden, Produktinformationen u.v.m.
  • KI validiert Informationen: Sind alle extrahierten Daten korrekt? Auch das prüft die KI Software und fragt Daten proaktiv ab, zum Beispiel in automatisierten Antragsstrecken oder informiert Mitarbeitende, falls Daten abgefragt werden müssen.
  • KI lernt hinzu: Je mehr Daten die Software erhält und je länger sie im Einsatz ist, desto intelligenter wird sie und desto besser kann sie Mitarbeitende unterstützten.

KI in der Praxis

  1. Intelligent Routing: Ein Beispiel für den erfolgreichen Einsatz von KI ist die intelligente, automatisierte Weiterleitung eingehender E-Mails (Intelligent Routing). KI erfasst eingehende Nachrichten leitet sie in Echtzeit an relevante Mitarbeitende weiter. Dafür vergleicht die intelligente Technologie E-Mails mit zuvor trainierten Beispielmails oder bearbeiteten Nachrichten. Sie identifiziert das Thema und Anliegen und verteilt die Anfrage nach einer vorab definierten Priorität an zuständige Teams oder Mitarbeitende weiter. Intelligent Routing ist so ausgereift, dass 90 Prozent aller eintreffenden Service-Anfragen korrekt ankommen.
  2. Intelligente Fachdatenerfassung: KI erkennt Informationen in strukturierten und strukturierten Dokumenten, die für die weitere Bearbeitung von Vorgängen gebraucht werden, wie Bestell- und Kundennummern, und überträgt sie automatisch in das entsprechende Vorgangsformular. Die Anwendung ist längst praxisreif: Versicherungen, Banken und Energieversorger erfassen bis zu 97 Prozent der relevanten Vorgangsdaten automatisch mit KI.
  3. Intelligente Antworten: KI bietet automatische Antwortoptionen an. Erneut gleicht KI die vorliegende E-Mail mit Fragestellungen aus vorangegangen E-Mails ab und ermittelt die korrekte vordefinierte Antwort. Öffnen Mitarbeitende einen Vorgang, wird ihnen die Antwort direkt angezeigt. Intelligente Antworten erreichen eine Präzisionsrate von bis zu 80 Prozent.

IDP: Chancen der kognitiven Fachdatenerfassung im Input Management

Ein KI-basiertes Input Management automatisiert deutlich mehr Prozesse als RPA-Software und steigert die Effizienz hinsichtlich der Erfassung und Erarbeitung von Dokumenten, E-Mails und Belegen nachweislich. Im Posteingang kann KI schon über 95 Prozent der eingehenden Vorgänge inhaltlich zuordnen, verteilen und automatische relevante Daten ergänzen. Banken und Finanzdienstleister senken die Bearbeitungsdauer von Hypothekenkrediten und Darlehensanträge um gut 40 Prozent, weil KI Fachdaten erfasst, validiert und in bestehende Systeme extrahiert.

Mein Fazit

Regelbasierte Abläufe und Prozesse rücken in den Hintergrund. Aus diesem Grund verliert RPA zunehmend an Bedeutung. Zu viele Routinedialoge aus unstrukturierten Nachrichten wie E-Mails können nicht automatisiert werden. Am Ende des Tages geht es doch darum, dass Mitarbeitende nicht die Arbeit von Robotern erledigen. Intelligent Document Processing kann auch aus Fließtexten und unterschiedlichen Touchpoints saubere Fachdaten in den Prozess liefern. Mit KI erkennt IDP unstrukturierte Daten, lernt fortlaufend hinzu und adaptiert Veränderungen im Prozess. Darüber hinaus unterstützt ein KI-basiertes Input Management Unternehmen, Unternehmensprozesse besser zu verstehen und an der Qualität ihrer Prozesse zu arbeiten.

 

Über den Autor

Andreas Klug gilt als Evangelist für Intelligente Automatisierung und KI. Als Co-Founder der ITyX Gruppe setzt er sich mit Datenextraktion und Dunkelverarbeitung von Dokumenten und E-Mails auseinander. Er leitet den Arbeitskreis „Artificial Intelligence“ im Digitalverband Bitkom und produziert den AI Business Podcast „KI-Board“. 

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